Und dann nach Nikosia, eine Woche Sandstrand!

11 10 2013

Ein Mittag im September. Ich sitze mit zittrigen Händen im Büro vor dem Computer und drücke immer wieder auf die „F5“ Taste auf der Tastatur vor mir. Auf dem Bildschirm hantieren in einem verwackelten Stream Männer in Anzügen mit Kugeln auf denen klangvolle Vereinsnamen wie ‚Tromsö IF‘, ‚Schachter Qaraghandy‘ und ‚Anschi Machatschkala‘ stehen. Jede Kugel steht symbolisch für eine Reise in ein fremdes Land. Jede Kugel steht für ein noch zu erlebendes Abenteuer. Endlich ziehen sie die Kugel mit der Aufschrift ‚Eintracht Frankfurt‘ und legen sie zu zwei anderen Kugeln. Die Namen ‚Girondins de Bordeaux‘ und ‚APOEL Nicosia‘ sind darauf zu lesen. Das klingt nach Sonne! Nach Meer und Wein! Sehr schöne Gegner! Die Kugel von ‚Maccabi Tel Aviv‘ komplettiert die Gruppe schließlich. Drei interessante und doch schlagbare Teams warten auf die Eintracht. Drei Reisen in den Süden Europas warten auf die Fans! Eins ist klar: Es wird ein heißer Herbst!

Nicosia

Die erste Reise führt direkt in den südlichsten Zipfel des Kontinents. Nach einem überragenden ersten Heimspiel gegen Bordeaux, in dem sich in den ersten Minuten die komplette Frankfurter Europa-Euphorie wie ein Orkan über der Girondins entladen hat, steht am 2. Spieltag das Auswärtsspiel bei APOEL Nicosia auf dem Spielplan. Zypern also. Und das dank eines gnädigen Fußballgottes am 3. Oktober, so dass auch ich, mit meinem einen letzten Urlaubstag, noch mit dabei sein kann. So trete ich also an diesem Tag der deutschen Einheit, nach einer nervenaufreibenden langen Nacht in Athen, aus dem Flughafengebäude von Larnaca und schaue in die Sonne, die ihren Weg über den tiefblauen Himmel gerade erst beginnt, und mir doch schon wärmend entgegen strahlt. Ein Mietwagen steht bereits für mich auf dem Parkplatz bereit, in dem ich nach kurzer Überwindung auf der rechten Seite Platz nehme um ihn auf die linke Spur der nahen Autobahn zu steuern. Die anfänglich durch das links fahren aufgerufene Irritation ist jedoch recht schnell weitestgehend verflogen und schon kurze Zeit später rollt der Wagen über Schotter, und kommt wenige Meter vor dem Meer zum stehen. Das Wasser schillert in allen blau tönen. Jetzt erstmal eine kurze Hose anziehen und ein paar Minuten in die Sonne! Danach kann es weiter gehen. Nach Nicosia, ins Zentrum der Insel.

Nicosia

Die Grenze kommt plötzlich und unerwartet. Man läuft mitten in der Stadt um eine Ecke und steht plötzlich vor Stacheldraht und zerfallenen Häusern. Nicosia ist seit bald 40 Jahren getrennt und quer durch die Altstadt zieht sich die von der UN bewachte green line. Ein Schauer fährt mir über den Rücken als ich an den verbarrikadierten Ruinen vorbei laufe, in denen mit Sandsäcken Geschützpositionen errichtet wurden.  Es ist mittag. Die Sonne brennt mittlerweile senkrecht vom immernoch beeindruckend blauen Himmel. In den engen Gassen herrscht geschäftiges Treiben, aber je näher man der Grenze kommt, umso leerer werden die Straßen. Unwirklich. Eine perfekt symmetrische Altstadt, mit einer 12-Eckigen Befestigungsanlage wie aus dem Musterbuch, und mitten durch zieht sich dieses Band aus Schutt und Soldaten. Selbst für den unbeteiligten, neutralen Beobachter ist das ein gänzlich unbefriedigender Zustand.  Immerhin gibt es in Verlängerung der Einkaufsstraße im Süden einen Grenzübergang, der für Touristen ohne großen Aufwand zu passieren ist.  Ich stolpere für eine halbe Stunde hinüber in die Türkei, esse einen Kebab, schlendere über die Basare und besichtige die alte Karawanserei. Dann geht es zurück in den griechischen Teil. Mittlerweile versammeln sich mehr und mehr Eintrachtfans in den Bars und Cafés der Stadt. Wohin man schaut laufen einem nun gut gelaunte Frankfurter entgegen. Ich kehre ins Hotel zurück und lege noch eine Stunde auf dem Balkon die Füße hoch. Es wird ein langer abend!

Nicosia

Als ich am Nachmittag wieder in die Innenstadt komme ist die Einkaufsstraße bereits zur Partymeile umfunktioniert. Ein paar Einheimische mischen sich begeistert unter die Menge. Einige APOEL-Fans sind dabei, die sich über das Spiel austauschen wollen, vor allem aber Fans des Rivalen Omonia, die teilweise bereits mit Eintracht-Fanutensilien bestückt, lachend viel Glück wünschen. Man ist sich einig: Es steht ein stimmungsvoller Abend bevor! Ganz am Rand stehen 3 Polizisten, lächelnd und in entspannter Haltung an ihr Auto gelehnt. Auch Familien laufen amüsiert durch die Menge. Nach einer kleinen Runde und einigen geschüttelten Händen finde ich weitere Mitglieder vom EFC Per Sempre in der Menge. Kurz darauf setzt sich der Tross von ca 2000 Mann singend und in bester Laune in Bewegung, in Richtung Busparkplatz. Ein hauch von Derby-Marsch. Das Spiel findet jedoch zu weit außerhalb statt, um den ganzen Weg zu Fuß gehen zu können. Eine öffentliche Nahverkehrsanbindung besitzt das Nationalstadion draußen in der Pampa auch nicht. Die Fanbetreuung hat aber dankenswerterweise genügend Busse für alle Fans organisiert. So wird alsbald eine Kolonne aus sicher 20-30 Bussen von der Polizei durch die Stadt geleitet, während draußen die Sonne untergeht und der Abend beginnt.

Nicosia

Vor dem Stadion gibt es nicht viel zu tun.  In Ermangelung von Kneipen oder Bierständen stehen die meisten von uns bereits 2 Stunden vor Spielbeginn auf der Tribüne und singen sich warm. Ein kühler Wind weht durch das weite Rund. Einige der Eintrachtbosse kämpfen sich händeschüttelnd und Fotos machend durch den Block. Stück für Stück füllt sich auch die gänzlich orangene Kurve auf der anderen Seite.  Und dann legen die plötzlich los, und nicht wenige auf unserer Seite stehen mit offenen Mündern da. Der Wind trägt extrem lautstarke, melodische Chöre über das Spielfeld. Eine derartige Geräuschkulisse würde ich mir in den großen Bundesligastadien wünschen! Für dieses kleine, offene Stadion ist das absolut sensationell! „Welcome to the orange hell“ grüßt ein großer Banner vor der Kurve, während unten die Mannschaften einlaufen und unser Block in Flammen aufgeht! Da ist sie wieder, diese Euphorie, die schon gegen Bordeaux übergegriffen hat. Die Eintracht in Europa! All die Jahre des Wartens, all die Ausflüge nach Paderborn und Aue. In diesem Moment ist das alles vergessen!

Nicosia

Nicosia

Das Spiel bleibt hinter den Rahmenbedingungen etwas zurück. APOEL startet engagiert aber mit wenig Qualität, die Eintracht tut nur was Sie tun muss und führt zur Pause mit 1-0. Auf den Rängen haben die Eintrachtfans zumindest gefühlt die Oberhand gewonnen. Doch auch von der selbsternannten orangenen hölle sind trotz Gegenwind immer wieder lautstarke Anfeuerungen zu Vernehmen. Das mit der Hölle ist vielleicht aber doch etwas zu hoch gegriffen. Um die Spieler zum zittern zu bringen, wie es uns noch mittags in der Stadt prophezeit wurde, reicht das bei weitem nicht. Auch nicht die paar verrückten Zyprioten die wiederholt auf das ca. 20m hohe Netz vor der Kurve klettern um dort Flaggen zu hissen. Unsre Jungs spielen das Spiel in der zweiten hälfte betont locker runter und siegen am Ende verdient mit 3-0. Die Eintrachtkurve tobt. Zwischendurch tauchen immer wieder bengalische Feuer beide Kurven in rotes Licht. Ein rundum gelungener Fußball-abend am südlichen Rand des Kontinents neigt sich bereits dem Ende zu als es dann doch nochmal kracht. Unter der Tribüne geraten Fans mit Polizisten aneinander, die den Block nach dem Spiel abriegeln wollen. Der Tumult ist aber recht schnell behoben und wir können das Stadion verlassen und nach einer Rückfahrgelegenheit in die Stadt suchen. Leider sind die wenigen Taxis schnell weg. Der große, dunkle Parkplatz und die zuvor gehörten Geschichten über die weniger gastfreundlichen Fans von APOEL sorgen jetzt für ein ungutes Gefühl. Zu zweit finden wir schließlich Unterschlupf bei einer kleinen Gruppe Frankfurtern, die einen Kleinbus bestellt haben. So kommen wir irgendwann um 2h Nachts wieder ins Zentrum von Nicosia und steuern erschöpft auf direktem Wege unsere jeweiligen Hotels an.

Nicosia

Eine frische Brise durchstreift am Vormittag die Kiefern auf dem Mt. Olympos. hier oben auf fast 2000m ist es gleich ein paar grad kühler als auf dem Rest der Insel. Es gibt sogar ein kleines Skigebiet, in dem man im Winter mit Blick auf das Mittelmeer Ski fahren kann. Entlang einer kurvigen Straße bin ich aus den trockenen Ebenen rund um Nicosia hinauf in die Berge gefahren. Kleine verschlafene Dörfer in engen Tälern säumten den Weg und immer wieder brach der Kiefernwald auf und gab weite Blicke über Hügel, Ebenen und Meer frei.  Nun liegt mir die ganze Insel zu Füßen. Und während mein Blick so über das Plateau mit den Kiefern streift fällt mir auch sogleich das T-Shirt mit der Aufschrift „Europacup in diesem Jahr!“ auf. Frankfurter. Überall. Ein kurzer Plausch über das Spiel und die weiteren Reisepläne. Mit am spannendsten sind die teilweise kuriosen Wege auf denen die 2000 Adler hier in Nikosia eingetrudelt sind. Flüge von Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf über London, Paris, Wien, Beirut. An jedem nennenswerten Flughafen Europas müssen in dieser Woche ein paar Adler gelandet sein. Mit Athen und Warschau konnte auch ich ein paar eher ungewöhnliche Zwischenstops in die Liste eintragen. Nach einem kurzen Austausch steige ich wieder ins Auto und fahre auf der anderen Seite des Gebirgskamms wieder nach unten, durch Weinberge und Dörfer aus schneeweißen Häusern mit ziegelroten Dächern, immer dem hellblau leuchtenden Meer entgegen.

Nicosia

Das Wasser ist klar und warm und der Strand fast menschenleer. Kurz vor der Küste hatte ich die Hauptstraße verlassen und war auf einem kleinen Weg der schließlich in eine Schotterpiste mündete quasi bis auf den Strand gefahren. Ein herrlicher Nachmittag in der Sonne rundet diese schöne Kurzreise ab.  Als die Sonne schon droht hinter dem Berg zu versinken packe ich meine Sachen wieder zusammen und mache mich auf dem Weg zurück nach Larnaca. Zum Sonnenuntergang stoppe ich noch in der nahe gelegenen Bucht Petra tou Romiou die mit ihren spektakulären Steilküsten in der Antike als der Geburtsort der Aphrodite galt. Das Mittelmeer ist hier wild und weit. Der himmel leuchtet in allen Farben. Der Vorhang dieses Europacup-Trips könnte kaum spektakulärer fallen. Möge er sich schon bald wieder öffnen für den nächsten Akt!

Nicosia

mehr Bilder aus den Bergen:

Nicosia

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Sonne Meer und Strand

Nicosia

Nicosia

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Stopover in Warschau…

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